Am 28. Mai, pünktich um 19 Uhr war es so weit: Antstream Arcade ging online. Zumindest für die Backer, welche mit zumindest 40 GBP (Entspricht in Etwa 45 Euro) das Projekt unterstützt haben. Versprochen wurde so Einiges, wie ihr in meinem letzten Beitrag nachlesen könnt. Was funktioniert, wo gibt es Verbesserungsbedarf? Ich habe den Service für euch einmal unter die Lupe genommen.
Leider nicht für den tapferen, kleinen Toaster
Die Idee ist ja schon mal nicht schlecht. Zugriff auf eine Bibliothek aus mehreren hundert Spielen für einen Pauschalbetrag (sprich: Mitgliedschaft) pro Jahr. Klar, sowas gibts schon – nennt sich GamePass. Antstream Arcade legt hier aber noch Eins drauf, denn hier streamt man die Spiele. Das hat einerseits den Vorteil, dass die Spiele keinen Speicherplatz verbrauchen, sie sind immer aktuell (OK, das Argument hinkt in diesem Bereich) und die Hardwareanforderungen sind überschaubar. Genau aus dem Grund gibt es Antstream Arcade (bald) für alles, was irgendwie ein Display und eine Internetanbindung hat. Ich habe den Client am PC, auf meinem Android Smartphone, die XBox und dem FireTV Stick installiert, einen NVidia Shield besitze ich nicht. iOS und PS4 Versionen folgen bald, Switch lässt noch länger auf sich warten.
Nur wie sieht der Client nun aus? Wie ist die Performance? Und macht das Ganze auch Spaß? Werfen wir mal die Kiste an…
Der eigensinnige Klient
Bevor ich loslege weise ich nochmal ausdrücklich darauf hin, dass es sich um eine closed Beta handelt. Klar haben sich Fehler eingeschlichen, das liegt in der Natur der Beta. Es hat ja auch einen Grund, warum Antstream Arcade erst Ende Sommer auf die Massen losgelassen wird. Die Jahresmitgliedschaft, welche ich mit erworben habe, beginnt natürlich auch erst mit der finalen Ausrollung des Services.
Der Client selbst wirkt aufgeräumt und modern. Eine Hand voll Spiele werden über große Marquees beworben und darunter finden sich Kategorien, welche horizontal durchgescrollt werden können. Hier findet sich schon mal der erste Designfehler: Es werden nie alle Kategorien angezeigt. Mal wird zusätzlich zu den Trending und Games with Challenges auch Mega Drive Spiele angezeigt, mal Arcade und mal C64 oder Amiga. Nie jedoch alle. Warum das so ist und wie der Client entscheidet was er anzeigt entzieht sich meiner Kenntnis. Es ist also derzeit nicht möglich, die komplette Spieleliste durchzuscrollen. Klar kann man übder die entsprechende Funktion nach Spielen suchen – nur dazu muss man erst mal wissen, dass sie da sind. Auch die Tastenbelegung ist befremdlich, denn mit A wird bestätigt, und mit B der Client gleich komplett verlassen. Eine Zurück-Taste am Pad gibt es nicht, man muss erst zum Zurückpfeil navigieren und dies dann bestätigen. Auch die Schultertasten haben keine Funktion, obwohl es nur logisch wäre, damit zwischen den Reitern umzuschalten.
Lass uns ein Spiel spielen
Aber starten wir mal ein Spiel, das ist schließlich die Daseinsberechtigung von Antstream Arcade. Schön ist, dass die Tastenbelegung sämtlicher Spiele vorbelegt ist (meistens X, A und B) und diese Belegung beim Start des Spieles auch angezeigt wird. Ebenfalls kann im Pausemenü eine kurze Spielebeschreibung aufgerufen werden, denn nicht immer ist sofort klar, was zu tun ist. Spiele sind sofort geladen. Das ist gut, da man gleich loslegen kann, aber auch schlecht weil durch die fehlende Ladeprozedur ein wenig Flair verloren geht.
Was mich am meisten verblüfft hat ist die Tatsache, dass absolut kein Input-Lag wahrnehmbar ist! Nix. Nada. Da hatte ich mit dem THEC64 mini größere Probleme. Man vergisst – halbwegs gute Internetanbindung vorausgesetzt – dass es sich um einen Stream handelt. Eine schlechte Internetverbindung macht sich übrigens auch nicht zwingend mittels Input-Lag bemerkbar, sondern es entstehen unschöne Artefakte. Sollte man allerdings geschätzt über zumindest 15 bis 20 MBit verfügen, haut die Sache schon hin. Ich selbst habe eine 80MBit Leitung und es wurde neben Antstream Arcade auf einem gerät Sky und einem weiteren Netflix gestreamt, während mein Sohn online am PC spielte – kein Problem.
Und so spielte ich mich durch einen Teil der derzeit 400 Titel umfassenden Spieleliste und konnte auch schon das ein oder andere mir unbekannte Schmuckstück entdecken. Lock ’n‘ Chase, Sly Spy und The Combatribes um nur drei davon zu nennen (alle drei sind übrigens Arcadetitel). Spiele von Nintendo sucht man in gewohnter Weise natürlich vergebens und auch Sega glänzt mit aktiver Abwesenheit. Kaum verwunderlich, da man die eigenen Minikonsolen und Neuneuneuauflagen pushen und sich nicht ins eigene Geldbörserl kacken will.
Challenge accepted
Savestates gibt es leider keine. Dies wird von einigen als starker Mangel eingestuft, ich sehe das aber entspannter. Sicher wäre es nett, seinen Spielstand speichern zu können, aber die technische Hürde könnte höher sein, als von vielen vermutet. Einerseits muss der Spielstand in der Cloud gespeichert werden, damit von jedem Gerät darauf zugegriffen werden kann. Andererseits muss zusätzlich gewährleistet werden, dass aufgrund des Spielstandes kein Onlinehighscore oder Achivement erschummelt wird. Wenn wirklich notwendig, wird auf Knopfdruck eine virtuelle Tastatur eingeblendet (Was bei C64 und Spectrum Spielen schon mal vorkommen kann) . Sind nur bestimmte Tasten notwendig, wie zum Beispiel 1, 2, 3, 4 und Return, sind auch nur diese anwählbar um die Eingaben zu beschleunigen – eine wirklich elegante Lösung.
Verliebt habe ich mich in die Challenges. Dies sind kurze Sequenzen des jeweiligen Spieles, die mit einer Aufgabe hinterlegt sind. So müsst ihr eine bestimmte Zeit bei Super BurgerTime überleben, ohne die Gegner zu pfeffern oder bei Joe & Mac möglichst viele Endgegner besiegen. Belohnt wird der Erfolg mit einer Gold, Silber oder Bronzemedaille, Erfahrungspunkten und Kristallen um weitere Challenges freizuschalten. Für die Challenges wurde teilweise ins Spiel eingegriffen, denn einen Boss-Rush gibt es bei Joe & Mac out of the Box natürlich nicht.
Nur ein toter Bug ist ein guter Bug
Die Navigation innerhalb der UI sehe ich als Designschwäche und nicht als Bug – so etwas sollte eigentlich nicht passieren. Vorhandene Bugs beziehen sich größtenteils auf die Challenges und Scoreboards. Ein paar Challenges sind nicht schaffbar. Es ist zum Beispiel nicht möglich 110 Sekunden in Dodgeball zu überleben – da eine Runde 87 Sekunden andauert. Das sind Dinge, über die ich inwegsehen kann, da sie nur beim Spielen im Betatest in Erscheinung treten. Auch dass der Communityaspekt verbesserungswürdig ist sehe ich locker. Ähnlich Kongregate gibt es nämlich die Möglichkeit, Spielern zu folgen. Dies kann jedoch nur über ein Scoreboard eines Spiels bewerkstelligt werden, ein Suchen von Usern ist nicht möglich. Entgegen der Definition von „Folgen“ werden aber keine Updates über Achivements oder Ähnlichem in einem Feed eingeblendet. Die Spieler befinden sich lediglich auf einer Freundesliste über welche manuell Erfolge der Freunde einsehbar sind.
Ebenfalls stößt mir etwas sauer die Controllerunterstützung auf. Einzig der XBOX One Wireless Controller und der XBOX360 Wired Controller liefen im Test. Weder der THEC64 Joystick, noch der RetroBit Mega Drive Controller funktionieren mit Antstream Arcade. Hier muss dringend nachgebessert werden. Ziemlich doof ist der fehlende Multiplayer. Online-, und auch Lokal. Klar, alternierend ist schon bei manchen Spielen eine Multiplayerpartie möglich. Nur zu Zweit gleichzeitig Spielen, das geht auf keinen Fall.
Fazit
Ich bin froh, Antstream gebacked zu haben. Ich habe schon etliche Stunden darin versenkt und viele werden mit Sicherheit noch folgen. Ob sich Antstream etablieren kann, wird sich zeigen. Hierfür muss vor der Ausrollung auf jedem Fall noch Hand angelegt werden. Die Einschränkung der Eingabegeräte, die Navigation im Client und die mangelhafte Filtermöglichkeit der Spieleliste sind für mich große Minuspunkte, die unbedingt bereinigt werden müssen. Ebenfalls sollten mehr Spiele mit Challenges und Online Scoreboards ausgestattet werden um Langzeitmotivation zu garantieren. Dass bis zum offiziellen Release zumindest der lokale Multiplayer steht, setze ich einmal voraus.
Bis zum Public-Release läuft jedoch noch viel Wasser die Donau hinunter. Wenn Das Antstream-Team weiterhin so bemüht ist wie vor dem Early Access und die versprechen auch einhält, kann das wirklich was werden, denn es sollte keine große Herausforderung sein, einen Großteil der Schwächen auszubügeln. Ich bin zumindest optimistisch.
Antstream ist natürlich nicht für jeden was. Romsammler und Retropi-Fans haben zum Beispiel keine Freude damit, da logischerweise viele Spiele fehlen und die Emulatoren keinerlei Einstellungsmöglichkeiten bieten. Aufgrund der fehlenden Filter geht dadurch auch ein Stück Retrofeeling verloren. Fans von Retrospielen, die einfach nur spielen möchten, neue Herausforderungen dank der Challenges suchen und denen wichtig ist, die Spiele legal spielen zu können, die sollten auf jedem Fall die Evolution von Antstream Arcade weiterverfolgen. Wo? Na hier natürlich 😉