Der Wohnzimmer-Arcade-Cocktail
Reisen wir einmal knapp 10 Jahre zurück ins Jahr 2008. Nachdem ich viel Zeit mit den Spielen auf Emulatoren am PC verbracht habe, wollte ich etwas Ausgefalleneres. Ein Arcade-Automat kam damals nicht in Frage, da meine Frau hierbei auch ein gewisses Mitspracherecht hatte (heute ist sie da kulanter). Also einigten wir uns auf einen Tisch. Nachdem ich unzählige Videos gesehen habe und so genannte „Virtuelle Flipper“ ausschloss, da „sowas ja nur für Spinner ist, weil zu teuer“ (ja, ich weiß. ICH bin auch so ein Spinner), wusste ich, was ich genau will.
Inspiriert von den alten Arcade-Cocktails wollte ich auch so etwas bauen. War auch nicht sonderlich schwierig: Einen Tisch zusammenbauen, PC reinschrauben, 21″ CRT einbauen, Arcadestick und Buttons installieren und fertig.
Moment-STOP! Sooo einfach wars dann doch nicht. Der Röhrenmonitor verursacht nicht gerade wenig Hitze, die ich leider nur mäßig in den Griff bekam. Daher pfiff ich auf das Arcade-Feeling und tauschte den CRT gegen einen 21″ NEC LCD aus. Das zweite Problem waren die Sticks und Buttons. Leider war ich damals nicht in der Lage, ein vernünftiges Gehäuse zu bauen. Daher verwarf ich die Idee und nutzte zwei Logitech Wireless Controller. Zwar nicht ideal, aber das Ergebnis kann sich für das erste Projekt dieser Art sehen lassen. Mein Sohn war zu der Zeit übrigens 4 Jahre alt, daher die Eckenschoner 🙂
Die Höhe musste ich etwas herabsetzen, damit der Tisch auch als Couchtisch durchgeht. Die helle Farbe hat er, damit er farblich ins Wohnzimmer passt. Nicht nur emulierte Spiele machten Spaß – auch spiele wie Heroes of Might and Magic waren perfekt darauf zu spielen. Nach einiger Zeit wurde mir das aber zu langweilig – etwas Besseres musste her.
Das Convertible-Coffee-Pin
Weiter gehts im Jahr 2012. Nun bin auch ich zu einem der Spinner-Nerds mutiert, die einen supercoolen virtuellen Flipper bauen wollen. Wieder stand ich aber vor dem „Wohin mit dem Ding“-Problem. Einzige Möglichkeit: Wieder ein Couchtisch, aber wohin mit der Backbox des Flippers?? Das Zauberwort ist: versenkbar. Wie eine Art senkrechte Lade, fixiert mit 2 Bolzen. So kann man das Ding ausgefahren als Flipper, und im eingefahrenen Zustand als Tisch oder Spielautomat nutzen. Aber erst einmal muss das Ding geplant werden. Dazu benutzte ich damals Google Sketchup.
Vom Bildschirm ins Wohnzimmer
Nach dem Besuch im Baumarkt brachte ich die 21 Bretter einmal nach Hause und fragte mich, wo ich nur anfangen solle. Also machte ich einmal etwas, was mit Spaß macht und sicher ein Erfolgserlebnis versprach: Die Steuerung.
Hierfür „hackte“ ich einen alten USB Controller. Es gibt natürlich professionellere Lösungen, wie zum Beispiel das iPac, jedoch verzichtete ich (vorerst) einmal darauf.
Der Controller-Hack war nicht sonderlich schwierig. Um das „Knopf-Drück“ Signal abzugreifen, kratzte ich einfach entweder den Lack von den Leiterbahnen oder verfolgte Selbige zum nächstgelegenen Lötpunkt und lötete dort das Kabel an. Die Eingänge sind schwarz, die Ausgänge der jeweiligen Buttons sind rot gehalten.Wie man auf dem Foto erkennen kann, gab es (neben den Unmengen an roten) 2 schwarze Kabel. Das liegt ganz einfach daran, dass ich das eingehende Signal eines Tastenblocks nicht für alle Tasten verwenden konnte (warum auch immer)…
Teil für Teil
Nun gings aber wirklich ans Zusammenschrauben. Da ich kein Fan von wilder Kleberei bin, schraubte ich alles mit Winkeln zusammen. Dies hat nebenbei den Vorteil, dass ich Fehler einfacher ausbessern kann. Um eine Art „Force-Feedback“ einzubauen, entschied ich mich für normale 12V Autorelais. Diese haben zwar nicht den Rumms eines Flipperrelais, jedoch möchte ich keine Probleme mit meinen Nachbarn bekommen. An der Unterseite des Tisches habe ich Gummirollen angebracht. Zum Einen um den Tisch, der zum Schluss ein beträchtliches Gewicht auf die Waage bringen wird, einfacher verschieben zu können und zum Anderen einfach zur Entkopplung.
Hello, Mister Electricity!
Jetzt wurde es wieder interessant. Den PC pflanzte ich in die „untere Box“ des Tisches ein und installierte die Lüfter in die Seitenteile. Ebenfalls verklebte und verkabelte ich die sieben Relais. Diese sitzen direkt unter den Spielfeld-LCD um die Illusion eines echten Flippers zu verstärken. Bis jetzt wurden 15 Meter Kabeln verlegt.Die LCDs, sowohl das Backbox-LCD und den Spielfeld LCD TV, habe ich „entkernt“, sprich: Das komplette Gehäuse und alle unnötigen Metallstreben, sowie die Lautsprecher entfernt. Da das Panel des TVs nun wild herumbaumelte, klebte ich es hochprofessionell mit Malrekrepp an die Rückseite des LCDs. Nun noch einsetzen und ärgern. Warum? Weil ich mich um 5mm vermessen habe und der LCD TV nun nicht in den Tisch passt. Hier zahlte sich das nicht-kleben schon aus, denn ich lockerte einfach die Winkel und bessere somit irgendwie den Fehler aus.
Back in the Box
Natürlich wäre ein Flipper nur halb so lustig, wenn es nur das Spielfeld gäbe, also machte ich mich ran an die Backbox. Die „Lade“ war schnell zusammengeschraubt. Der NEC LCD wurde mit einer speziell angefertigten Halteplatte installiert und zwei Lautsprecherboxen darunter angeschraubt.
Um die Strahlung der Monitore etwas abzuschwächen habe ich die Backbox beleuchtet (separat abschaltbar). Die LEDS hierfür platzierte ich hinter den Monitor, um eine dezente, indirekte Beleuchtung zu bewerkstellingen. Zusätzlich montierte ich zwei Stroboskope in der Backbox, welche der PC ansteuern kann. Auch um die Lightshow am Spielfeld kümmerte ich mich. Drei Flasher kamen ans hintere Ende des LCD TVs, links und rechts im oberen Viertel jeweils ein kurzer LED Streifen mit superhellen LEDs fürs Stroboskop. Nun noch das ganze mit dem PAC-Drive Controller verbunden, welcher sowohl die Flasher, als auch die Relais ansteuert – fertig!
Jetzt wirds mühsam
Nun ja, jetzt musste ich mich um die Software kümmern, was RICHTIG langweilig ist. Jedes Bauteil, jedes Lämpchen und jedes Relais hat eine eigene Bezeichnung, auch in den original Flipperplänen. Und genau das muss jetzt auf den virtuellen Flipper übertragen werden. So wird ihm beigebracht, wann ein bestimmter Flasher oder ein bestimmtes Relais mit Strom versorgt werden soll – und das für JEDEN Tisch individuell. Ist das erledigt, konnte das Spielen aber schon losgehen!
Leider hat der Spieletisch die Übersiedlung in unsere neue Wohnung nicht unbeschadet überstanden. Zusätzlich passte er nicht zu den neuen Möbeln, also demontierte ich den Tisch. Unglaublich, wie schnell 6 Monate Arbeit vernichtet werden können. Das nächste Projekt stand aber schon vor der Tür: Ein neuer virtueller Flipper – im echten Flippergehäuse!
Wartet, bis ihr mich wiederseht – ihr müsst unbedingt wissen wies weitergeht!
Tolles Projekt Leo! Respekt. Ich würde mich an sowas nicht heran trauen. Du machst es einfach. Habe ich das jetzt richtig gelesen? Du hast den Tisch wieder zerlegt? Wie jetzt? Den Tisch, dessen Aufbau Du gerade haarklein beschrieben hast? Du machst es echt spannend.
Ja, den Tisch habe ich damals wieder schweren Herzen zerlegt. Beim Umzug hat sich ein Seitenteil verabschiedet. Ebenfalls hat unser neues Wohnzimmer eine ganz andere Holzfarbe. Das Schwierigste an der Sache ist wirklich nur das Trauen. Ist ja nichts Anderes als ein ganz normaler PC, nur eben in einem unüblichen Gehäuse 🙂
Tolle Inspiration, die Du bier lieferst ? bin gerade im Urlaub und habe vor nach der Rückkehr auch einen Vpin für meine Frau und mich zu bauen. Sitze noch am der Teileliste, hab auch einiges schon bestellt. Einzig bei der Elektrik bin ich noch nicht ganz durchgestiegen, werde jetzt aber Mal nach dem von dir erwähnten Ipac googeln.
Danke für Deine Beschreibung, das werde ich auf jeden Fall im Blogpost zum Aufbau verlinken.
Bleibt gesund ?
Jürgen
Viel Spaß beim Zusammenbauen und experimentieren 🙂
Wenn dir 12 Buttons ausreichen, kannst du statt dem iPac auch den wesentlich günstigeren Joyit Encoder verwenden